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Stuhlinkontinenz

Menschen mit Stuhlinkontinenz können ihre Darmentleerung nicht mehr richtig kontrollieren. Ein Überblick über Ursachen, Symptome und Behandlung.

Stuhlinkontinenz

 

Was ist Inkontinenz? (Definition)

Menschen mit Inkontinenz (lat. incontinentia „Nichtverhalten [als Unvermögen]“) können ihren Blasen- und/oder Darmtrakt nicht sicher kontrollieren. Das heißt, sie haben Schwierigkeiten, ihren Urin oder Stuhl zu halten. Mediziner unterscheiden daher auch zwischen Harn- und Stuhlinkontinenz. In diesem Beitrag geht es um Stuhlinkontinenz, auch bekannt als Darminkontinenz oder anale Inkontinenz. Erfahren Sie mehr über Harninkontinenz in unseren Beiträgen „Aponova-Lexikon: Harninkontinenz bei Frauen“ und „Aponova-Lexikon: Harninkontinenz bei Männern“.

Wie entsteht Stuhlinkontinenz? (Ursachen)

An der Kontrolle unseres Darmdrangs sind eine Reihe von Muskeln und Nervenverbindungen beteiligt. Stuhlinkontinenz kann daher verschiedene Auslöser und Ursachen haben.

  • Neurologische Erkrankungen

An der Regulation unserer Darmentleerung ist auch unser Gehirn beteiligt. Werden die zuständigen Regionen verletzt – etwa weil durch Erkrankungen wie Alzheimer, die Parkinson-Krankheit oder bei einem Schlaganfall Hirngewebe zerstört wird – kann dies die Kontrollfunktion beeinträchtigen. Die Folge: Das Gehirn kann die Informationen über den Füllzustand des Darms nicht mehr verarbeiten und Stuhl tritt unkontrolliert aus. Auch Erkrankungen des Rückenmarks sowie Multiple Sklerose oder Tumore können die Impulsübertragung zwischen Darm und Gehirn stören – ebenso wie eine Querschnittlähmung und angeborene Krankheiten wie Spina bifida (eine Spaltbildung an der unteren Wirbelsäule, umgangssprachlich „offener Rücken“ genannt).

  • Darmerkrankungen

Enddarmentzündungen (Proktitis) oder chronisch-entzündliche Darmerkrankungen wie Colitis ulcerosa oder Morbus Crohn sowie am Enddarm sitzende Tumore können die Funktion des Schließmuskels beeinträchtigen. Eine Folge hiervon kann Durchfall sein.

  • Sensorische Störungen

Operationen am Enddarm, Dickdarmentzündungen oder Hämorrhoiden können die Wahrnehmungsfunktion der Schleimhaut des Analkanals beeinträchtigen und damit das Risiko einer Stuhlinkontinenz erhöhen. Das Gleiche gilt für Erkrankungen wie Diabetes und Multiple Sklerose sowie bei einer Querschnittlähmung.

  • Verletzungen des Analbereichs

Unfälle und Operationen am Enddarm können den Schließmuskel schädigen und damit das Risiko erhöhen, dass der oder die Betroffene ungewollt Stuhl verliert. Bei Frauen kann Stuhlinkontinenz auch die Folge eines Dammrisses durch die vaginale Entbindung sein.

  • Alter

Ab dem 20. Lebensjahr nehmen die Muskelmasse im Körper sowie die Elastizität des Gewebes für gewöhnlich ab. Das betrifft auch die des Beckenbodens. Durch diesen Verlust der Elastizität kann es zu einer Beckenbodensenkung kommen. Das heißt, Organe wie beispielsweise Harnblase, Scheide, Gebärmutter und Darm werden vom Bindegewebe, den Bändern und Muskeln des Beckenbodens nicht mehr richtig gehalten und senken sich. Dies beeinträchtigt die Funktion des Schließmuskels und begünstigt eine Stuhlinkontinenz.

  • Übergewicht

Zusätzliches Körpergewicht erhöht den Druck auf den Bauchraum. Die Folge: Die Muskeln und Bänder des Beckenbodens werden stärker belastet und das Risiko für Darminkontinenz steigt.

  • Verstopfung

Sitzt der Stuhl beispielsweise aufgrund einer verlangsamten Verdauung über längere Zeit fest, kommt es zu einer Blockade, an der nur wässriger Stuhl vorbei kann. Dieser lässt sich allerdings nur schwer kontrollieren und tritt dann tröpfchenweise aus. Dazu kommt, dass Betroffene oft versuchen, ihren Darm durch starkes Pressen zu entleeren. Dies kann unter Umständen zu Verletzungen führen.

  • Medikamente

Hoch dosierte Psychopharmaka wie Antidepressiva können eine Stuhlinkontinenz ebenfalls begünstigen. Ob die Stuhlinkontinenz eine Nebenwirkung des Medikamentes ist, sollten Betroffene mit ihrem Arzt oder ihrer Ärztin besprechen. Auch Menschen, die regelmäßig Abführmittel einnehmen, haben ein erhöhtes Risiko für Darminkontinenz.

Risikofaktoren speziell bei Frauen:

  • Schwachstelle Beckenboden (genetische Vorbelastung)

Frauen sind meist stärker von Stuhlinkontinenz betroffen als Männer. Das liegt unter anderem daran, dass die meisten von Geburt an ein breiteres Becken haben und ihre Beckenbodenmuskulatur schwächer ausgeprägt ist. Aus evolutionsbiologischer Sicht ist das durchaus sinnvoll. Denn nur so kann sich die Gebärmutter während der Schwangerschaft ausdehnen; ein breites Becken erleichtert auch die Geburt. Das Problem: Sinkt der Beckenboden ab, kann es passieren, dass er den Ringmuskel um den Anus nicht mehr in seiner vorgesehenen Position halten kann. Dies beeinträchtigt die Funktion des Schließmuskels, er „dichtet“ nicht mehr richtig ab und der Abgang von Darmschleim sowie Stuhl lässt sich nicht mehr kontrollieren.

  • Vaginale Geburt

Eine vaginale Entbindung erhöht ebenfalls das Risiko, eine Stuhlinkontinenz zu entwickeln. Der Grund: Kommt es zum Dammriss, also zu einer Verletzung des Gewebes zwischen Scheide und After, kann auch der nahegelegene Anal-Schließmuskel verletzt werden.

Was sind Anzeichen von Stuhlinkontinenz? (Symptome)

Es gibt unterschiedlich starke Ausprägungen einer Stuhlinkontinenz. Darmschwäche wird daher auch in Grade unterteilt. Eine Übersicht:

  • Stuhlinkontinenz Grad 1

Der Abgang von Darmwinden lässt sich nicht mehr kontrollieren. Dazu mischt sich Darmschleim, der die Unterwäsche verschmutzt.

  • Stuhlinkontinenz Grad 2

Es kommt zu einem unkontrollierten Abgang von flüssigem Stuhl sowie Darmwinden.

  • Stuhlinkontinenz Grad 3

Es kommt zu einem Kontrollverlust über die Darmentleerung, das heißt Darmwinde, flüssiger und fester Stuhl gehen unkontrolliert ab.

Wie wird Darmschwäche behandelt? (Therapie)

Die Art der Behandlung hängt davon ab, welche Art der Inkontinenz vorliegt und welche Ursache die Erkrankung bedingt. Aus diesem Grund lassen sich auch keine pauschalen Therapieempfehlungen geben. Ärztlicher Rat ist in jedem Fall nötig. Dinge, die üblicherweise helfen können, sind:

  • Beckenboden- und Schließmuskeltraining

Mit gezielten Übungen kann die Beckenboden- und Schließmuskulatur gestärkt werden. Die Übungen werden in der Regel im Rahmen einer Physiotherapie erlernt. Wichtig ist es jedoch, zu Hause weiter zu trainieren. Empfehlenswert sind zudem alle Sportarten, die den Beckenboden entlasten oder stärken. Dazu gehören beispielsweise Radfahren, Schwimmen, (Nordic) Walking und Yoga. 

  • Biofeedback-Geräte oder Elektrostimulatoren

Wer Schwierigkeiten hat, den Beckenboden und insbesondere die Muskulatur des Schließmuskels bewusst wahrzunehmen und anzusteuern, dem können sogenannte Biofeedbackgeräte helfen. Hierfür führen Betroffene einen kleinen, mit Sensoren ausgestatteten Ballon in den Analbereich ein und drücken diesen gezielt zusammen. Ein akustisches Signal informiert dann über die Intensität des Kneifdrucks. Wenn das nicht zum gewünschten Erfolg führt, kann der Schließmuskel auch mit Hilfe elektrischer Impulse trainiert werden.

  • Gesunde Lebensweise

Wer unter einer leichten Darminkontinenz leidet, kann versuchen, die Konsistenz des Stuhls über seine Ernährung zu beeinflussen. Welche Form der Ernährung für Sie die richtige ist, besprechen Sie am besten mit Ihrem Arzt oder Ihrer Ärztin. Ziel der Nahrungsumstellung ist das Erreichen einer weichen, jedoch geformten Stuhlkonsistenz, die weder knollig noch breiig ist. Auch Bewegung (etwa Spazierengehen) regt die Darmtätigkeit an. Stress, hastiges Essen sowie starker Alkoholkonsum können die Darmtätigkeit und damit die Beschaffenheit des Stuhls hingegen negativ beeinflussen.

Tipp: Sogenannte Stuhlprotokolle können Ihnen helfen, Strategien zu entwickeln, um im Alltag besser mit der Inkontinenz umzugehen. Hierfür notieren Sie Essenszeiten und -mengen, die Uhrzeiten, wann Sie auf Toilette müssen, und auch, wie viel und welche Art Stuhl Sie wann ungewollt verlieren. Die Notizen können Sie dabei unterstützen, Toilettengänge gezielter einzuplanen und Aktivitäten besser zu planen. Außerdem dienen sie als Grundlage für eine Therapieempfehlung durch Ihren Arzt oder Ihre Ärztin.

  • Gewicht reduzieren

Wer sein Übergewicht reduziert, entlastet oft auch den Beckenboden und kann dadurch das Risiko einer Darminkontinenz senken.

  • Medikamente

Wenn eine Ernährungsumstellung nichts bringt, können auch Medikamente helfen. Welche Arzneimittel die Richtigen sind, hängt davon ab, welches Ziel Betroffene verfolgen. Die Medikamentierung sollten sie daher immer mit dem behandelnden Arzt oder der Ärztin besprechen. Denn je nachdem, ob der Stuhl weicher, fester oder abgeführt werden soll, muss ein entsprechendes Arzneimittel ausgewählt werden.

  • Hilfsmittel

Hierzu gehören beispielsweise sogenannte Analtampons. Sie werden in den Anus eingeführt, verschließen den analen Ausgang und verhindern so einen ungewünschten Stuhlabgang. Um den Darm gezielt zu entleeren, eignet sich außerdem die anale Irrigation (Darmspülung). Bei dieser ableitenden Methode leiten die Betroffenen gezielt Wasser in den Darm. Dieses regt einen Entleerungsreflex an und es kommt innerhalb kürzester Zeit zur Entleerung des Darms.

  • Operation

Wenn konservative Therapien nicht den gewünschten Erfolg bringen, kann gegebenenfalls eine Operation helfen. Sind im Bereich des Beckenbodens wichtige Nerven geschädigt, wird oft die Methode der sakralen Nervenstimulation angewendet. Bei dem Verfahren wird ein kleiner Schrittmacher ins Gesäß implantiert, der die dortigen Nerven mit schwachen elektrischen Impulsen stimuliert, die für die Kontrolle von Darm und Blase zuständig sind. Zur Stuhlentleerung wird der Schrittmacher abgeschaltet, wodurch sich die Muskulatur automatisch lockert. Auch eine Injektionstherapie mit sogenannten „Bulking agents“ kann helfen. Dabei spritzt der Arzt oder die Ärztin Substanzen wie Kollagen oder Silikon unter die Haut um den Analkanal und erzeugt damit, einen mechanischen Druck am Schließmuskel. Dadurch wird die Funktion des Schließmuskels unterstützt und die Kontinenz kann verbessert werden.

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